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Freitag, Dezember 16, 2011

Der Haken am Haken

Durch meine unglaublich messerscharfe Auffassungsgabe und meine ungetrübte Brillanz wurde ich schon früh im Leben auf eines der Hauptprobleme der Menschheit aufmerksam: Der Mensch an sich ist eigentlich ziemlich dumm.

Jetzt ist es an und für sich keine Sünde, dumm zu sein, ebenso wenig wie es schändlich ist, besonders groß oder klein, dick oder dünn, hübsch oder hässlich zu sein; jeder Mensch bekommt eben von der Natur sein Päckchen zugeteilt, und mit dem hat man zu leben. Unerträglich droht diese Dummheit durch das zu werden, was ich hier einfach mal ganz bescheiden das "Meiersche Phänomen" nenne:

Das Meiersche Phänomen: Je leerer ein Glas ist, desto voller fühlt es sich.

Sicher hat sich jeder schon einmal gewundert, mit welcher Selbstsicherheit auffällig dumme Menschen ihre auffällige Dummheit zur Schau tragen, mit welcher Schmerzlosigkeit vollkommen talentlose Individuen darauf beharren, ihre Talentlosigkeit einem möglichst großen Publikum zu präsentieren, oder wie überzeugt von seinen Fachkenntnissen der völlig ahnungslose Kollege ist.

Je weniger ein Mensch von einem gewissen Gebiet Ahnung hat, desto weniger erkennt er seine subjektive Ahnungslosigkeit im Vergleich zum objektiven Ganzen; ganz logisch, schließlich hat er überhaupt keine Ahnung, was es überhaupt zu wissen gibt, und jeder Funken eigenen Fortschritts erscheint einem wie eine Supernova neuen Wissens. Habe ich mich jedoch erst einmal grundlegend in mein Gebiet eingearbeitet, eröffnet sich mir erst seine Komplexität und schiere Unendlichkeit. Und das gilt für so ziemlich alles im Leben:
"Ich kann einen Ball auf einen Korb werfen, und wenn ich ihn auf den Boden werfe, kommt er zurück. Ich kann Basketball spielen!"
"Ich kann eine Website erstellen und Dinge darauf kursiv schreiben. Ich bin Informatiker!"
"Ich kann ein Lied fehlerfrei singen. Ich bin Musiker!"

Wahre Experten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie ihre Grenzen kennen.

Dasselbe gilt auch für grundlegende menschliche Dinge wie zum Beispiel Vorurteile: Je verbohrter ein Mensch in seinen Vorurteilen ist, für desto vorurteilsloser hält er sich ("Ich habe ja nicht gegen XY, aber ...", "Ich bin da ja nicht so, aber die anderen ..."). Ähnlich verhält es sich im Übrigen mit subjektiv empfundenen Ungerechtigkeiten: Alle anderen bekommen alles in den Hintern geschoben, während man selber, der es eigentlich am meisten verdient hätte, am wenigsten abbekommt; geht dir, lieber Leser, doch genauso, nicht wahr? Macht nix, geht uns allen so. Allerdings fällt dies nicht im engeren Sinne unter das Meiersche Phänomen.

Und, um wieder zum Punkt zu kommen: Je dümmer ein Mensch ist, für desto schlauer hält er sich im Vergleich zum Rest der Welt. Einfach deswegen, weil er als dummer Mensch keine Ahnung davon hat, was Intelligenz ist. So wird die eigene Beschränktheit als Maß der Dinge angesehen, und jede persönliche Erleuchtung ("Wenn ich beim Einschenken ein Loch oben in die Safttüte mache, rumpelt der Saft beim Rauskommen nicht so arg") wird zum subjektiv empfundenen Geniestreich, auf den der Rest der Welt nie kommen würde.

Was mich dann auch schon zum Haken am Meierschen Phänomen führt:

Moment mal; wenn das für alle anderen gilt, könnte es doch auch für mich selbst gelten?

Schmerzhafter Haken, nicht wahr? Wo man doch davon ausgeht, dass alle anderen blöd sind, aber man selber irgendwie drüber steht. Logisch; man selber ist ja auch nur ein Mensch, und daher gelten die oben beschriebenen und sicherlich von jedem milde benickten Grundsätze ("ja, so einen kenn ich!") leider auch für einen selber.

In diesem Sinne (und um auf den Punkt und zum Schluss zu kommen): Es schadet nicht, sich ab und an mal seiner eigenen Grenzen und Fehlbarkeit bewusst zu werden. Nein, ich bin nicht der Dreh- und Angelpunkt der Welt und ihr edelstes Geschöpf (und nein, du noch viel weniger!). Vielleicht, und das sollte man nie vergessen, hat das Gegenüber ja doch recht, egal, wie sicher man sich seiner Sache ist. Denn eins ist gewiss: Das ist der sich auch, und wahrscheinlich noch viel mehr.

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